Wohlgeformte Unordnung für vielseitige Lichttechnologien

ETH-Forschenden gelang es, mit Mikrok¨¹gelchen aus ungeordneten Nanokristallen ein effizientes Material zur breitbandigen Frequenzverdopplung von Licht herzustellen. Die entscheidende Idee dazu entstand in einer Kaffeepause. Der neue Ansatz k?nnte k¨¹nftig in Lasern und anderen Lichttechnologien zum Einsatz kommen.

Lichtaktives Teilchen
Rotes Licht wird in Mikrok¨¹gelchen aus Nanokristallen durch Frequenzverdopplung in blaues Licht verwandelt. (Bild: Jolanda M¨¹ller / ETH Z¨¹rich)

Vom Mikroskop ¨¹ber die Daten¨¹bertragung durch Glasfasern bis hin zu modernen Quantentechnologien spielt Licht eine wichtige Rolle in Wissenschaft und Industrie. Insbesondere Methoden, mit denen die Farbe ¨C also die Frequenz und Wellenl?nge ¨C von Licht ver?ndert werden kann, sind in modernen Anwendungen von grosser Bedeutung. Dazu braucht es nichtlineare Kristalle. In diesen Kristallen kann zum Beispiel aus zwei Photonen einer bestimmten Frequenz ein Photon mit der doppelten Frequenz entstehen, also etwa aus zwei roten Photonen ein blaues.

Damit das funktioniert, muss das Licht allerdings in der Regel in einer ganz bestimmten Richtung und mit einer bestimmten Polarisierung auf den Kristall treffen. Diese so genannte Phasenanpassung schr?nkt die Anwendungsm?glichkeiten oft empfindlich ein. Forscher um die ETH-Professorin Rachel Grange am Institut f¨¹r Quantenelektronik haben nun gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Lucio Isa am Departement f¨¹r Materialwissenschaft eine Methode entwickelt, mit der sich eine effiziente Frequenzverdopplung auch ohne eine solche Feinabstimmung erreichen l?sst und die gleichzeitig noch andere Vorteile gegen¨¹ber herk?mmlichen Verfahren aufweist.

Scheinbar unvereinbare Ans?tze

Das Rezept der Forscher l?sst sich etwa so zusammenfassen: Lieber klein als gross und besser durcheinander als geordnet. Das klingt r?tselhaft, doch ein ebenso grosses R?tsel war zun?chst auch die Aufgabe, die sich Granges Team gestellt hatte. ?F¨¹r eine bessere und vielseitiger anwendbare Frequenzverdopplung wollten wir zwei Ans?tze miteinander verbinden, die eigentlich nicht zusammenpassen?, sagt Romolo Savo, der als Postdoktorand im Rahmen eines Marie-Curie Stipendiums das Projekt leitete.

Beim ersten Ansatz benutzt man anstelle eines einzelnen grossen Kristalls sehr viele, nur wenige Mikrometer grosse Mini-Kristalle, deren Kristallachsen in alle m?glichen Richtungen zeigen. Dadurch muss nicht mehr streng auf die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen geachtet werden. Unter den vielen Mini-Kristallen werden immer einige sein, die g¨¹nstig ausgerichtet sind, und andere, die ung¨¹nstig ausgerichtet sind, aber unter dem Strich kommt dennoch eine betr?chtliche Menge an frequenzverdoppeltem Licht heraus. ?Es h?rt sich paradox an?, gibt Savo zu, ?und einige unserer Kollegen fanden die Idee, Unordnung auf diese Weise zu nutzen, etwas befremdlich ¨C aber sie funktioniert!?

Vergr?sserte Ansicht: Schema Lichtumwandlung
In den mikrometergrossen K¨¹gelchen verwandeln die ungeordneten Nanokristalle das eintreffende rote Licht durch Frequenzverdopplung in blaues Licht (links). Dieses wird in verschiedene Richtungen abgestrahlt (rechts). (Bild: Romolo Savo / ETH Z¨¹rich)

Der zweite Ansatz wiederum beruht auf der verst?rkenden Wirkung von Resonanzen. Ist die Anordnung der Mini-Kristalle zum Beispiel kugelf?rmig mit einem Durchmesser, der in etwa der Wellenl?nge des Lichts entspricht, so erh?ht sich durch wiederholte Reflexion der Lichtwellen an den Kugelw?nden die Lichtintensit?t im Innerem der Kugel um ein Vielfaches, und dadurch auch die Ausbeute an frequenzverdoppeltem Licht.

Mikroskopaufnahme Kügelchen
Mikroskopische Aufnahme der ungeordneten Nanokristalle (Bild: A. Morandi / ETH Z¨¹rich)

Um beide Effekte gleichzeitig optimal anzuwenden, wollten die Forschenden daher ein ungeordnetes Kristallpulver zu mikrometergrossen K¨¹gelchen formen, um so den resonanten Verst?rkungseffekt des Lichts auszunutzen. Die einzelnen Bariumtitanat-Kristalle, die sie dazu verwenden wollten, mussten sehr klein sein ¨C nur etwa 50 Nanometer lang -, damit sie durchsichtig genug waren, um das Licht mehrmals passieren zu lassen und so Resonanzen in den Mikrok¨¹gelchen zu erzeugen.

Vinaigrette-Tipp in der Kaffeepause

?Wir hatten also diese tolle Idee, aber keine Ahnung, wie wir die vielen winzigen Nanokristalle in perfekte Mikrok¨¹gelchen verwandeln sollten?, sagt Savo. ?Eines Tages trafen wir dann in der Kaffeepause Lucio Isa, erz?hlten ihm von unserem Problem, und er hatte gleich einen Tipp parat.? Isas Vorschlag war, das Nanokristall-Pulver in Wasser aufzul?sen, die Wasserl?sung mit ?l zu mischen und das Ganze kr?ftig zu sch¨¹tteln ¨C ?hnlich, wie man es bei einer Vinaigrette mit Essig und ?l machen w¨¹rde. In der so hergestellten Emulsion bilden sich dann kleine Bl?schen der Wasser-Kristall-L?sung, aus denen das Wasser nach und nach durch das ?l hindurch verdunstet. ?brig bleiben perfekt geformte K¨¹gelchen aus ungeordneten Nanokristallen, also genau das, was Grange und ihre Mitarbeiter wollten. ?Aus diesem Tipp entstand dann die Zusammenarbeit mit Isas Arbeitsgruppe?, sagt Grange: ?Solche spontanen, nicht geplanten Kollaborationen sind ¨¹brigens oft die fruchtbarsten. Nat¨¹rlich haben wir Isas Rezept gleich ausprobiert.?

Vergr?sserte Ansicht: Schema Bildung der Kügelchen
Nanokristall-K¨¹gelchen werden hergestellt, indem man mit Kristallen gef¨¹llte Wassertr?pfchen in einer ?l-Wasser Emulsion erzeugt. Das Wasser verdunstet und hinterl?sst perfekt geformte K¨¹gelchen. (Bild: Romolo Savo / ETH Z¨¹rich)

Und das Rezept funktionierte ¨C sogar noch besser, als man es erwarten w¨¹rde. ?Die Frequenzverdopplung mit den K¨¹gelchen aus ungeordneten Nanokristallen funktioniert sowohl unabh?ngig von der Einfallsrichtung des Lichts als auch ¨¹ber eine grosse Spanne an Frequenzen. Damit ist sie wesentlich vielseitiger als die Frequenzverdopplung mit herk?mmlichen Kristallen?, erkl?rt Savo. Zudem erhielten die Forscher dieselbe Ausbeute an frequenzverdoppeltem Licht bei 70 Prozent weniger Materialeinsatz. Im Gegensatz zu normalen Kristallen, bei denen ab einer bestimmten Gr?sse die Lichtausbeute nicht weiterw?chst, stieg sie bei den Mikrok¨¹gelchen weiter mit deren Volumen an.  

Hochwertige Laserkristalle aus Pulver

Demn?chst wollen Grange und ihre Kollegen die Methode noch weiter verbessern, zum Beispiel durch Einf¨¹gen eines Abstandhalters zwischen den Mikrok¨¹gelchen und der Glasscheibe, auf der sie ruhen. Dadurch sollen Lichtverluste minimiert werden. Auch an m?gliche Anwendungen denken die Forscher bereits. Die Aussicht, aus einem simplen und billigen Nanokristall-Pulver leistungsf?hige nichtlineare Kristalle herzustellen, ist f¨¹r Lasertechnologien allgemein interessant. Ausserdem kann man die Mikrok¨¹gelchen ¨¹ber grosse Fl?chen verteilen. Damit k?nnten dann beispielsweise neuartige Bildschirme hergestellt werden, die Bilder im Infrarotbereich durch Frequenzverdopplung direkt in sichtbare Bilder umwandeln. Solche Bildschirme k?nnten in ?berwachungskameras oder in den Lebenswissenschaften zur Anwendung kommen.

Literaturhinweis

Savo R, Morandi A, M¨¹ller JS, Kaufmann F, Timpu F, Reig Escal¨¦ M, Zanini M, Isa L, Grange R: Broadband Mie-driven random quasi-phase-matching. Nature Photonics, 1. October 2020, doi: externe Seite10.1038/s41566-020-00701-x

Eine frei zug?ngliche Kopie des Papers findet sich externe Seitehier.

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